und v. 01.11.2011der bisher längste eintrag im logbuch:
Normalerweise lege ich meine Friedhofsbesuche nicht auf den Massenaufmarschtag Allerheiligen, aber heuer ging es zeitmäßig nicht anders, heuer musste ich tradi-tionell sein. Ich hatte zu meiner Ãœberraschung aber festgestellt, dass der Andrang an diesem Tag bei weitem nicht mehr so groß ist wie in früheren Jahren. Tempora mutantur. • Ich hatte „eh nur“ zwei Gräber zu besuchen und dieser Tradi liegt ziemlich genau dazwischen, also kann ich ihn bei dieser Gelegenheit gleich mitnehmen. Ich hatte zuvor von diesem Cache nur schnell die Beschreibung und die Karte überflogen, anscheinend ein verstorbener Cacher und das Grab sollte auch ohne GPS leicht zu finden sein. Normaler Cacheralltag halt, nur eben auf einem Friedhof. Diesmal begleitete mich CityRunnerin und schließlich standen wir vor dem gesuchten Ort. • Auf den ersten Blick fiel uns dieses doch imposante Grab mit dem Engel auf. Solche Grabstätten, welche an den längst verblichenen Glanz alter Zeiten erinnern, gibt es hier zuhauf, aber diese ist anders. Keine vergangenen Zeiten mehr, es wirkt wie neu. Kein Unkraut, keine verblassende Schrift, keine zerbrochenen Steine, nur der Engel hat einen gebrochenen Flügel – ein gut passender Kontrast. Auffallend eine neue Inschrift und als wir die Jahreszahlen lasen, war uns sofort klar, dass dies kein normaler Cache sein würde. Klar, der Tod kennt kein Alter, manche holt er schon, kaum dass sie ihre ersten Atemzüge getan haben und viele scheint er zu vergessen, ehe er sich ihnen doch entsinnt. Trotzdem, zu jung in der heutigen Zeit! •Wir wählten den Weg hinten rum und entdecken den Cache auch sofort. Nach dem Öffnen der nett gestalteten Dose sahen wir gleich das Foto. Ein sympathischer freundlicher junger Mann blickte zu uns herauf. Er wird nicht mehr altern, als wäre er für immer konserviert in der Zeit. Was war passiert? CityRunnerin und ich blickten uns an, wissend, dass es hier keine Antwort geben würde und dass sie uns eigentlich auch nicht zusteht. Wir hatten den Eindruck, in die Privatsphäre eines Menschen und seinen Angehörigen gedrungen zu sein. Ich las die Cachebeschreibung nochmals – es war sein Wunsch. Sein Wunsch, dass Unbekannte – und doch verbunden durch das gleiche Hobby – ihn hier besuchen und diesen Ort beleben. Gefällt mir. Trotz der vielen Fragen, die bleiben. • Wir wussten nicht, was wir ins Logbuch schreiben sollten. Es war, als wären wir hier nicht alleine. Es war, als würde der Owner uns beobachten. Kein unangenehmer, nur ein ungewohnter Gedanke. Wir schreiben nur „CityRunner, 1.11.2011“ hinein und zündeten eine Kerze an. Ich hatte das schön öfter gemacht, Kerzen für mir unbekannte Menschen anzuzünden. Aber noch nie, für einen bestimmten mir unbekannten Menschen. Auch ein seltsames Gefühl. • Ich bin Agnostiker. Es kann sein, dass es einen Gott gibt. Oder auch nicht. Ebenso was den Tod betrifft. Es kann ein Leben danach geben. Oder auch nicht. In diesen Momenten glaube ich ersteres. Und wer weiß, vielleicht treffe ich den Owner einmal, irgendwann, irgendwo. Vor dem Tod habe ich keine Angst. Und dieses Gefühl bestätigte sich wieder, als wir diesen Ort schweigend verließen. • Ãœber 700 Caches habe ich gefunden, aber keiner hat mich emotional so berührt wie dieser. Natürlich empfindet man etwas, wenn man (wieder einmal) vor „seinem“ Familiengrab steht, aber dieses Mal galten meine Gefühle mehr einem Menschen, den ich auf Erden nie kennenlernen durfte. • Als wir wieder zu Worten kamen, plauderte ich mit CityRunnerin über Gott und die Welt, über den Tod und das Leben, über Recht und Unrecht. Wir sprachen von den Millionen unbekannten Toten hier am Zentral, die uns nichts bedeuten. Und plötzlich gibt hier jemand all diesen ein Gesicht. Nicht Millionen Tote sondern jeder einzelne ein Individuum mit seiner Geschichte, seinem Leben, seinem Schicksal und seinen Angehörigen. • Und wenn ich jetzt schreibe „TFTC, Danke für den Cache“, dann war das noch nie so ernst gemeint. Danke Alex, wer immer du warst und wo immer du bist!
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